Der D-Tunnel
„Zu teuer”…? – Berechnungen zu den Folgekosten
Am 24. November 2009 wurde das von der Region Hannover in Auftrag gegebene Gutachten „Folgekostenrechnung zur Stadtbahnstrecke D-Innenstadt” der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Rahmen der Sitzung des Verkehrsausschusses stellt Hans-Ulrich Mann von Intraplan Consult aus München die volkswirtschaftliche Bewertung und die Folgekostenrechnung vor.
Anhand einer Präsentation, die öffentlich zugänglich ist, wurden drei Varianten vorgestellt, die offiziell untersucht worden sind (mehr dazu später). Bei diesen drei Varianten handelt es sich um
Die Tunnellösung, Mitfall 1 genannt
Mitfall 1 beginnt im Kreuzungsbereich Spinnereistraße/Braunstraße mit einem Hochbahnsteig in Seitenlage auf Höhe der heutigen Haltestelle Glocksee, allerdings nicht auf der Straße, sondern südlich der Fahrbahn. Weiter geht es Richtung Goetheplatz, wo der heutige Kreisel durch ein Gleisdreieck ersetzt werden würde, auf der Goethestraße wäre dann der nächste Hochbahnsteig in Seitenlage auf Höhe der heutigen Haltestelle. Direkt im Anschluss beginnt die Tunnelrampe, der Tunnel selbst folgt dann der Goethestraße bis zum Steintor. Hinter der Station Steintor geht es in einem weitem Bogen bis zum Hauptbahnhof, wo unmittelbar hinter der Station die Kehranlage vorgesehen ist (siehe 1. Ausbaustufe).
Die Oberflächenvariante 1, Mitfall 2 „best case” genannt
(„best case”, englisch „im günstigsten Fall”) Diese Variante entspricht zwischen Glocksee und Goetheplatz Mitfall 1, hinter dem Hochbahnsteig Goetheplatz beginnt dann der eigene Gleiskörper. Zwischen der Langen Laube und der Kurt-Schumacher-Straße ist ein Mittel-Hochbahnsteig vorgesehen, in dessen Anschluss die Trasse rechts in die Kurt-Schumacher-Straße abbiegt, wiederum auf einem eigenen Gleiskörper. Dann geht es nach links in die Lister Meile, wo direkt im Posttunnel der Hochbahnsteig Hauptbahnhof entstehen würde. Der eigene Gleiskörper geht dann weiter entlang der Lister Meile bis zur Berliner Allee, wo die Trasse in Richtung Osten abbiegen würde, der Endpunkt Hauptbahnhof/Raschplatz läge direkt nördlich des Raschplatz südlich der Fahrspuren (siehe Oberirdische Trasse).
Die Oberflächenvariante 2, Mitfall 2 „worst case” genannt
(„worst case”, englisch „im ungünstigsten Fall”) Der Trassenverlauf entspricht Mitfall 2 „best case” mit dem Unterschied, dass es keinen durchgängigen eigenen Gleiskörper geben wird. Entlang der Kurt-Schumacher-Straße ab Höhe Nordmannpassage und der Rundestraße wären die Gleise straßenbündig.
Die volkswirtschaftliche Bewertung, der sogenannte Kosten/ Nutzen-Faktor (kurz KNF), liegt bei allen drei Varianten über dem erforderlichen Wert von 1,0. Somit wären alle drei durch Bund und Land förderfähig, vorausgesetzt, die Investitionssumme liegt oberhalb von 50 Mio. €. Mitfall 1, die Tunnelvariante, würde insgesamt knapp 130 Mio. € kosten, durch den Anteil, den Bund und Land übernehmen würden, blieben rund 32 Mio. € übrig, die die Region aufbringen müsste. Mitfall 2 „best case” würde mit rund 60 Mio. € zu Buche schlagen, mit knapp 13 Mio. € wäre der Anteil der Region deutlich geringer als bei Mitfall 1. Bei Mitfall 2 „worst case” sieht es schon überaus schlechter aus, aufgrund des geringeren Investitionsvolumens würde der Bund nicht einspringen, so dass die Region rund 30 Mio. € zu zahlen hätte – nur unwesentlich weniger als beim Tunnel. Und:
Zudem wäre die oberirdische Strecke nicht wirtschaftlich zu betreiben.
Bei der Folgekostenrechnung, die zum Beispiel Instandhaltung, Betriebskosten und Fahrzeuginvestitionen berücksichtigt, schneidet der Tunnel besser als Mitfall 2 ab. Der große Vorteil ist der geringe Fahrzeugbedarf aufgrund kürzerer Umlaufzeiten sowie die geringeren Betriebskosten, da weniger Fahrpersonal benötigt wird. In der Untersuchung wird von einer Inbetriebnahme im Jahr 2020 ausgegangen – das Geld, das die Region aufbringen muss, hätte sich bei Mitfall 1 bereits nach elf Jahren amortisiert! Bei Mitfall 2 „best case” würde dieser Fall etwas früher, bei Mitfall 2 „worst case” deutlich später eintreten. Man könnte an dieser Stelle also zu dem Schluss kommen, dass letztendlich nur Mitfall 1 (Tunnel) und Mitfall 2 „best case” (Oberfläche mit eigenem Gleiskörper) übrig bleiben. „Was man aus diesen Erkenntnissen macht, ist eine politische Frage”, sagt Mann.
In der Verkehrsauschuss-Sitzung erklärte der Verkehrsdezernent der Region Dr. Martensen im Anschluss an den Vortrag von Herrn Mann, dass sich in seinen Gesprächen mit der Stadt Hannover (vertreten durch den Stadtbaurat) herausgestellt hätte, dass die Stadt Hannover aus städtebaulichen Gründen Mitfall 2 „best case” nicht zustimmen werde. Auch wenn es an dieser Stelle keine weiteren Begründungen gab, dürfte klar sein, dass die Stadt keine eigenen Gleiskörper in der Innenstadt haben will – die Barrierewirkung solcher „Bauwerke” ist nicht zu vernachlässigen. Dr. Martensen nannte es dann ein klassisches Dilemma, aus Sicht der Region spricht alles für Mitfall 2 „best case”, aus Sicht der Stadt hingegen kommt nur Mitfall 1 und Mitfall 2 „worst case” in Frage, wobei letzteres wohl auch von der Stadt nicht gewollt ist. Abschließend kam dann aber der große Knaller: aus Sicht der Region wären weder Mitfall 1 noch Mitfall 2 „worst case” zu finanzieren. Man hätte sich das ganze Theater also auch sparen können, denn das war der Region mit Sicherheit auch vorher schon bekannt.
Im öffentlich einsehbaren Protokoll der Verkehrsausschuss-Sitzung liest sich das dann so:
„Herr Dr. Martensen dankt Herrn Mann für die komplexen Informationen und zieht ein kurzes Resumée aus Sicht der Verwaltung. Völlig ausgeschlossen sei seiner Ansicht nach der Fall, der einen Fehlbetrag erwirtschafte und darüber hinaus ein Investitionsvolumen von 30,4 Mio. Euro für eine oberirdische Variante seitens der Region Hannover erfordere, die in etwa soviel Aufwand produziere wie etwa eine Tunnellösung. Um insbesondere die respektablen und nachvollziehbaren städtebaulichen Interessen der Landeshauptstadt Hannover zu berücksichtigen (kein eigener Bahn- /Gleiskörper) sei diese Variante ebenfalls nicht nachverfolgenswert, so dass sich nur noch die Frage stelle, ob man auf der politischen Ebene den Mitfall 1 oder den Mitfall 2 in Best case vorantreiben wolle. Die Landeshauptstadt Hannover habe sehr deutlich gemacht, dass die Oberflächenvariante mit besonderem Bahnkörper für sie ein „No go“ sei und somit auch die Best case-Variante in sich zusammenfalle. Damit hätte man nur noch den Mitfall 1, nämlich die Tunnelvariante, die man dann favorisieren müsse.”
Von einem „Gewinner” konnte man nach diesem Vortrag nicht wirklich sprechen. Die benötigten Gelder für die Realisierung für Mitfall 1 könnten aber auch alternativ finanziert werden. Üstra-Chef André Neiß brachte einen Gegenvorschlag ins Spiel: „Wir können uns Finanzierungen vorstellen, die den Regionshaushalt nicht belasten, sondern von Unternehmen getragen werden.” Die Üstra oder die für die Stadtbahnanlagen zuständige Infra könnte also zum Beispiel Kredite aufnehmen. Ein Umschwenken der Stadt ist weiterhin unwahrscheinlich und die deutlich besseren Werte bei der Folgekostenrechnung sprechen gegen die Oberflächenvariante ohne eigenen Gleiskörper. Da der aktuelle „Fördertopf” Ende 2019 abgeschafft werden sollte bzw. danach eine andere Art der Förderung an dessen Stelle tritt, wäre nun Eile geboten gewesen.
Fazit:
- Der D-Tunnel hat genauso wie die oberirdische Trasse einen Kosten/Nutzen-Faktor von >1,0 (und nicht nur „gerade so eben”).
- Die anteiligen Baukosten für die Region Hannover liegen beim D-Tunnel und der Oberflächenlösung ohne eigenen Bahnkörper (Mitfall 2) fast gleichauf (32,6 Mio. € zu 30,4 Mio. €).
- Bei der Folgekostenrechnung (Instandhaltung, Betriebskosten, Fahrzeuginvestitionen etc.) schneidet der D-Tunnel besser als Mitfall 2 ab.
- Der D-Tunnel amortisiert den Regionsanteil von ca. 32 Mio. € schon nach 13 Jahren.
- Der Mitfall 2 kommt aber erst nach 23 Jahren aus den roten Zahlen – 10 Jahre längere Kosten als beim Tunnel und mit ca. 820.000 € Mehrkosten pro Jahr, wenn es eine Niederflurbahn werden soll.
- Ein Einlenken der Stadt für einen eigenen Bahnkörper in der Kurt-Schumacher-Straße ist weiterhin unwahrscheinlich, auf anderen Straßen (Lister Meile vor dem ZOB, direkt nach dem „Posttunnel”) bleibt er problematisch.
Der D-Tunnel – „zu teuer”…? Nur in politischen Behauptungen…