Das Stadtbahnnetz Hannover
Das 365-Euro-Ticket
Der im September 2021 neu gewählte Regionspräsident Steffen Krach (SPD) versprach in seinem Wahlkampf: „Damit das für alle bezahlbar bleibt, schaffen wir ein neues Jahres-Abo in der Region. Für nur einen Euro am Tag geht es in Zukunft kreuz und quer durch die ganze Region. Da kann kein Spritpreis mehr mithalten.” Am sogenannten 365-Euro-Ticket hält er seitdem fest und möchte es bis 2023 einführen. Bei der Vorstellung des Regionshaushalts im Dezember 2021 wurde das angekündigt. 2022 soll die Einführung des Tickets vorbereitet werden und bis Mitte 2022 ein Gutachten über die Machbarkeit vorliegen. Krach zeigte sich optimistisch, dass es dafür ausreichend Geld vom Bund geben würde.
Für 365 Euro soll es für das gesamte Tarifgebiet des Großraumverkehr Hannover (GVH) ein gültiges Jahresticket in Bussen und Bahnen geben – was einen Euro pro Tag macht. Das Modell ist jedoch nicht kostendeckend und wird mit 70 bis 90 Millionen Euro Zuschussbedarf – jährlich! – für die Region Hannover ein teures Unterfangen. Ein Gutachten des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg, der von der Größenordnung her mit der Region Hannover vergleichbar ist, beziffert den Subventionsbedarf sogar auf bis zu 100 Millionen Euro im Jahr! Dabei würden lediglich Fahrgastzuwächse von höchstens 3,2 Prozent verzeichnet werden. Die Studie rät stattdessen, lieber in das Verkehrsangebot zu investieren. Die grün-rote Koalition im Stadtrat München hat ebenfalls wegen der hohen Kosten Pläne für das 365-Euro-Ticket gestoppt. In Deutschland hat bislang keine größere Stadt oder Region und kein Verkehrsverbund dieses Ticketmodell im Angebot. Ein Versuch in Bonn floppte und wurde wieder eingestellt – von 17.000 zur Verfügung stehenden Karten wurden nur 6000 abgesetzt.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert: „Bevor Tarifsenkungen umgesetzt werden, müssen die öffentlichen Mittel im ersten Schritt vorrangig in Ausbau von Angebot, Kapazitäten und Qualität investiert werden.“
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte im Oktober 2021 ein Positionspapier zum Thema vorgelegt. Auch zur Bundestagswahl erschien mit dem Titel „Mobilitätswende forcieren – Jetzt mehr bewegen” eine Broschüre zur Verkehrswende mit gleichlautenden Forderungen. Der wichtigste Tenor zum Thema kostenloser Nahverkehr oder 365-Euro-Ticket lautet:
„Bevor Tarifsenkungen umgesetzt werden, müssen die öffentlichen Mittel im ersten Schritt vorrangig in Ausbau von Angebot, Kapazitäten und Qualität investiert werden. Hierfür gilt es, die derzeit vorhandenen finanziellen Spielräume in den Haushalten von Bund und Ländern zu nutzen und zusätzliche Mittel für Aus- und Neubau sowie die Grunderneuerung des ÖPNV zur Verfügung zu stellen.“
Im VDV-Positionspapier werden Beispiele der Städte Wien (Österreich), Tallin (Estland) und Hasselt (Belgien) aufgeführt. Während Wien immer gerne als Erfolgsmodell genannt wird, hat es in den beiden anderen Städten nicht wie erwartet gut geklappt mit den Angeboten, so dass nach Jahren der Subventionierung doch wieder Fahrpreise eingeführt wurden. Wien hingegen hat vor der Einführung des 365-Euro-Tickets jahrzehntelang massiv in den Ausbau ihres S-Bahn- und U-Bahn-Netzes investiert und tut es noch. Bei der Region Hannover jedoch findet innerstädtischer U-Bahn-Bau seit 1999 (Spange Legionsbrücke) de facto nicht mehr statt – also quasi seit ihrem Bestehen.
Auszüge aus dem Positionspapier des VDV sowie aus der VDV-Broschüre „Mobilitätswende forcieren” hat Pro D-Tunnel in einen DIN A4-Flyer gesetzt. Zeitgleich erschien mit einem Artikel in der HAZ vom 15.11.2021 eine sehr übersichtliche und auch grundkritische Zusammenfassung des Themas. Wir haben den Artikel deswegen auf die Rückseite des Flyers platziert. Mit einem Serienbrief vom 12.01.2022 wurden Infoflyer und dieser 365-Euro-Flyer an die Politikerinnen und Politiker der Rats- und Regionspolitik versendet.
Alle wichtigen Artikel und Flyer zum Thema finden Sie auch nebenstehend in der Sidebar. Pro D-Tunnel unterstützt die Positionen des VDV in ganzer Hinsicht. Es muss vermieden werden, „das Pferd von hinten aufzuzäumen” und viel zu viel Geld auszugeben für neue (womöglich zu wenige) Fahrgäste, die sich dennoch nur auf alten, kapazitativ bereits stark ausgelasteten Strecken in überfüllten Zügen bewegen. Ein Blick in den aktuellen Nahverkehrsplan der Region reicht dazu aus, wo es heute schon hapert (wegen des fehlenden D-Tunnels z. B. auf dem „Sorgenkind” C-Ost). Die Auswirkungen von fehlenden Kapazitäten machen sich schon länger bemerkbar. Es wäre daher kontraproduktiv, hochpreisig subventioniert Fahrgäste auf unattraktiv überlastete Strecken locken zu wollen.
Vor einer Umsetzung des 365-Euro-Tickets muss die GVFG-Novelle genutzt werden und das Netz kapazitativ ausgebaut werden, um neue Strecken und attraktive schnelle Verbindungen zu schaffen. Erst massiv ausbauen, dann Fahrgäste „anlocken”!