Das Stadtbahnnetz Hannover
Planungen für ein U-Bahn-Netz
In den beiden Nachkriegsjahrzehnten hatte sich Hannover im Bereich Verkehr international einen guten Ruf erworben. Die weitsichtige, von Professor Rudolf Hillebrecht entwickelte Stadtplanung war dafür sicher mit entscheidend. Doch allein mit dem Ausbau des Straßennetzes wurden die Verkehrsprobleme der Stadt und ihres Umlandes nicht befriedigend gelöst. Eine Denkschrift „Der Aufbau der Stadt Hannover” spricht bereits von kurzen Unterpflasterstrecken, weil sich Straßenbahnen und Autoverkehr durch die ansteigende Motorisierung der Bürger immer öfters in die Quere kommen. Ein dramatisches Bild vom Aegidientorplatz zeigt die prekäre Situation Anfang der 1960er Jahre. Vorausschauend werden aber die neu aufgebauten oder angelegten Straßenzüge breiter ausgeführt, besonders am neu entstehenden Cityring. In der Folgezeit werden zudem Flächen für provisorische Rampen freigehalten, teilweise sogar bis zum heutigen Tage.
Im Jahr 1959 legt der damalige Direktor der hannoverschen Straßenbahnbetriebe ÜSTRA Dr. Lehner erste konkrete Vorschläge für ein U-Straßenbahnnetz vor. Die Ideen über grundlegende Veränderungen im Straßenbahnnetz sehen unter anderem einen unterirdischen Ring vor, der durch etwas entfernt liegende Rampen dann gegen den Uhrzeigersinn befahren werden soll, aber mit niveaugleichen Kreuzungen nicht sehr leistungsfähig sein würde. Auch ein System, das dreiecksmäßig ausgebaut werden sollte, wird angedacht und mit komplizierten Stationen (z. B. am Kröpcke) für den Richtungsbetrieb mit nur rechtsseitigen Bahnsteigen durchgeplant. Schnell wird dadurch klar, dass das Netz U-Bahn-gerecht ausgebaut werden muss. Die Linien müssen kreuzungsfrei geführt werden, der Tunnel wird für eine Wagenbreite von 2,90 Meter ausgelegt und mit Zugsicherungseinrichtungen ausgestattet. Die Stationen erhalten Hochbahnsteige mit einer Länge von 103 Metern. Da ein komplettes U-Bahn-Netz nicht auf einmal gebaut werden kann, sollen in der Innenstadt zunächst Tunnelstrecken gebaut werden, in die mit provisorischen Rampen die Straßenbahnäste eingeführt werden. Auf den oberirdischen Strecken soll später weitgehend störungsfrei gefahren werden, dazu werden – soweit es technisch und finanziell möglich ist – die Gleise auf einem besonderen Bahnkörper verlegt. Das Stadtbahnkonzept wurde so geboren.
Anfang der 1960er Jahre wird ein erstes U-Bahnnetz vorgestellt, dass mit drei Linien wichtige Kreuzungspunkte erfasst. Die Station Hauptbahnhof ist als eine aufwändige Kreuzungsstation mit unterirdischer Taxen- und Autovorfahrt geplant… Die engen Radien erlauben aber noch keine hohe Geschwindigkeit, der Kröpcke bleibt kurioserweise eine Einzelstation. 1962 wird der Berliner Professor Dr.-Ing. Bruno Wehner beauftragt, einen Netzplan für das Stadtgebiet Hannover zu erarbeiten. Gleichzeitig beginnt sich der Bund Gedanken zu machen, wie der Verkehr in den Innenstädten zu bewältigen ist. Zwei Jahre später wird ein Gutachten veröffentlicht, indem der Bund aufgefordert wird, sich an der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Innenstädten zu beteiligen. Der öffentliche Verkehr soll Priorität erhalten.
Im Frühsommer 1964 wurde vom Tiefbauamt unter Mitwirkung anderer Ämter der Bauverwaltung ein U-Bahn-Netz entwickelt, das von Prof. Wehner als Netzvorschlag Nr. 2 in seinem Gutachten untersucht worden ist. Im folgenden wird dieser Netzvorschlag als „Netzplan 1964” bezeichnet. 1965 liefert Prof. Wehner einen vorläufigen Zwischenbericht ab, 1966 dann das fertige Gutachten. Die Ergebnisse des Zwischenberichtes wurden am 26./27. Mai 1965 in einer Klausurtagung ausgewertet. Wichtigste Ergebnisse: Trassierung und Dimensionierung für eine spätere U-Bahn, Netzgrundlage wird der Vorschlag Nr. 2 von Wehner, erster Bauabschnitt wird die Strecke Wedekindstr.–Waterloo (die heutige Linie A). Am 23. Juni 1965 beschließt der Rat der Stadt Hannover einstimmig den Bau einer U-Bahn in Hannover. Gleichzeitig wird die Inangriffnahme der ersten Strecke vom Waterlooplatz zur Wedekindstraße (Linie A) in Auftrag gegeben. Dies alles geschieht noch ohne finanzielle Zusagen von Bund und Land. Die Grundlage bildet der Vorschlag Nr. 2 von Wehner, der „Netzplan 1964”, der hier kurz vorgestellt wird.
Im „Netzplan 1964” treffen sich am Kröpcke zwei höhenungleich kreuzende Strecken, die sich mit diversen Verzweigungen gabeln. Insgesamt sieben Streckenarme treffen sich am Kröpcke. Die Innenstadtstationen Aegidientorplatz, Kröpcke und Steintor waren ursprünglich als aufwändige Stockwerksbahnhöfe mit Richtungsbahnsteigen geplant worden. Am Steintor fällt auf, dass sich ein Ast nach Westen Richtung Linden abzweigt, einer Richtung Norden. Dieser Netzplan zeigte jedoch einige Nachteile auf: eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Anfälligkeiten im Betrieb z. B. bei Verspätungen auf einer Strecke hätten Auswirkungen auf das ganze Netz gehabt. Im Gutachten von Prof. Wehner wurde das Verkehrsaufkommen der einzelnen Streckenäste unter Berücksichtigung von Einwohnerentwicklung, Motorisierungsprognose, Arbeitsplatzverteilung und Strukturveränderung ermittelt. Ein anderes Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Grabe vom Juli 1965 behandelte die Leistungsfähigkeit der Strecken und Stationen. Das grundlegende Ergebnis war, dass eine einzige Strecke in Richtung Süden auf längere Sicht nicht ausreichend war. Außerdem wurde vorgeschlagen, die Strecke nach Süden (Messe/Laatzen) sofort als durchgängige U-Bahn zu bauen, um die geplanten Fahrgastzuwächse bewältigen zu können.
Der Netzplan 1964 wurde daher noch einmal überarbeitet. Es wurden Überlegungen angestellt, wie eine zweite Linie aus dem Süden in die Innenstadt geführt werden konnte. Ein geeignetes Netz sollte die fünf Punkte Steintor, Kröpcke, Aegidientorplatz, Raschplatz und Königstraße erschließen. Die Punkte Kröpcke und Raschplatz wurden durch die laut Ratsbeschluss schon festgelegte Linie A vom Waterlooplatz zum Wedekindplatz erfasst. Es ergaben sich insgesamt 22 Varianten der Netzgestaltung, die unterschiedlich bewertet wurden. Als besonders geeignet hatte sich die Lösung Nr. 18 herausgestellt (siehe Skizze). Bei nunmehr acht Streckenenden konnte somit ein linienreines Netz mit vier leistungsfähigen Tunneln geplant werden. Andere Varianten fielen weniger günstig bis negativ aus, aus folgenden Gründen: zweimaliges Umsteigen wurde erforderlich, einzelne Punkte der Innenstadt wurden gar nicht oder nur schlecht erschlossen bzw. miteinander verbunden, und einzelne Streckenverbindungen waren topographisch schlecht zu trassieren. Einige Knotenpunkte hätten sich zudem nur mit drei oder mehr Ebenen lösen lassen. Auf eine Stadtkarte gelegt lassen sich diese verschiedenen Netzvarianten dann besser beurteilen als eine kleine Netz-Skizze:
Mit einer Broschüre über die „U-Bahn-Netzplanung Hannover” wurde danach der Rat gebeten zu beschließen, dass der Netzvorschlag Nr. 2 noch durch eine zusätzliche U-Bahn-Linie D zu ergänzen ist. Die Linie D sollte eine Vorsorgeplanung darstellen mit der Begründung, dass 1. die Leistungsfähigkeit der bisher geplanten U-Bahn-Strecke in südöstlicher Richtung für das künftige Verkehrsaufkommen verbessert wird, 2. im Hinblick auf das Leitmodell des Verbandes Großraum Hannover eine stärkere Besiedlung zwischen Kronsberg und Sarstedt erwartet wurde.
Dieser neue „Netzplan 1966” („Wehner-Plan”) wurde am 15.11.1966 beschlossen, zur Grundlage für alle weiteren Planungen und gilt im Prinzip noch heute. Das Ergebnis war ein Tunnelnetz mit den vier Ästen A, B, C und D (und ihren Leitfarben Blau, Rot, Gelb und Grün), das stufenweise realisiert werden konnte. Dabei stellte jede Stufe eine verkehrstüchtige Einheit dar. Das Tunnelnetz wurde so geplant, dass die Linienführung den Hauptverkehrsströmen folgt und alle Streckenäste mit nur einmaligem Umsteigen an einem der fünf Umsteigestationen Hauptbahnhof (Raschplatz), Kröpcke, Steintor, Aegidientorplatz und Marienstraße erreicht werden konnten. Zu diesem Zweck sollten sich die vier Linien an drei wichtigen Punkten kreuzen: am Hauptbahnhof (A, B, D), am Kröpcke (A, B, C) und am Steintor (C, D), ebenso noch an der Marienstraße (C, D). Die Linie D ersetzt nun den zuvor vom C-Tunnel abzweigenden Ast nach Linden und macht aus einer (á la Waterloo) aufwändigen Verzweigungsstation Steintor einen Kreuzungsbahnhof. Dieses Netz sollte nun innerhalb der nächsten Jahre Schritt für Schritt ausgebaut werden.
In der o. a. Broschüre über die „U-Bahn-Netzplanung Hannover” wurden auch Vorschläge über die Realisierung des U-Bahn-Netzes gemacht. Grundlage des Baustufenplanes waren städteplanerische, bautechnische , betriebliche und finanzwirtschaftliche Gesichtspunkte: a) schnelle Beendigung des U-Bahn-Baues in der Innenstadt, b) schnelle Inbetriebnahme fertiggestellter Abschnitte, c) schnelle Ausnutzung von bautechnischen Vorleistungen, d) Netzausgleich, d. h. den Einsatz der Linien jeweils so zu planen, dass die Verkehrsbelastung der einzelnen Streckenäste untereinander ausgleichen, und das Netz vorwiegend von Durchmesserlinien befahren wird.
In der Drucksache Nr. 387/75 erfolgte nach 10-jähriger Planungszeit eine erneute Bestandsaufnahme und kritische Überprüfung, deren Ergebnis dann die „Mittelfristige Konzeption für eine Stadtbahn in Hannover” war. In dieser Drucksache wurden noch einmal die Bevölkerungsentwicklung, die finanziellen Auswirkungen, die Erschließungsqualität, die Auswirkungen auf den Energiehaushalt und die Umwelt und der Einfluss auf die städtebaulichen Zielsetzungen analysiert und bewertet. Man kam zu dem Ergebnis, dass die in den Jahren 1964/1966 entwickelte Nahverkehrskonzeption richtig war und sich als flexibel genug erwiesen hatte, um sich auf neue Erkenntnisse wie z. B. Erschließung der Außengebiete anzupassen. Aufgrund des zwischen dem Bund, dem Land und der Stadt ausgehandelten Finanzprogramms wurde ein Bauprogramm erarbeitet und dem weiteren Ausbau des Stadtbahnnetzes zugrunde gelegt.