Immer wieder akut
Verlängerung von „10/17” durch die Sallstraße
Ursprüngliche Planungen für die D-Linie
Wie bereits erwähnt sollte die D-Linie in den ursprünglichen Planungen den Heisterberg (westlich von Ahlem) und Kronsberg verbinden (siehe Rubrik D-Tunnel). Dieser „Brückenschlag” beinhaltete auch die Tunnelstrecke in der östlichen Südstadt (siehe Rubrik Downloads). Hier würde der D-Tunnel ab der zur Kreuzung ausgebauten Station Marienstraße der Sallstraße bis zum Sallplatz folgen. Danach folgt die Stresemannallee, wo die Trasse nach dem Bertha-von-Suttner-Platz nach Osten in Richtung Altenbekener Damm abbiegt. Die erreichte Station Bhf. Bismarckstraße würde mit dem gleichnamigen S-Bahnhof verküpft. Die Stadtbahn gelangt durch eine Rampe in der Lindemannallee an die Oberfläche und würde an die Bestandsstrecke der D-Süd nach Bemerode am Bischofsholer Damm anknüpfen. Frühere Versionen des D-Tunnels führten durch die Jordanstraße und danach parallel zur DB-Bahnstrecke zum Bhf. Bismarckstraße.
Vorteile eines Tunnels:
- Erschließung der kompletten östlichen Südstadt
- Verknüpfen der Umsteigestation Marienstraße und S-Bhf. Bismarckstraße
- Entlastung der Sallstraße vom Busverkehr
- Verknüpfung mit der D-Süd bei zeitgleicher Entlastung des C-Tunnels (Wegfall der Strecke Freundallee)
- Fahrgastzuwächse und Fahrtzeitgewinne im Gegensatz zur heutigen Buslinie 121
- Wenig umwegige Streckenführung mit Verknüpfung der D-Süd
Nachteile einer Straßenbahn:
- Straßenbündige Strecke ohne eigenen Bahnkörper (fragliche Förderwürdigkeit)
- Sallstraße und Jordanstraße sind teilweise nur 22 Meter bis 20 Meter breit
- Hochbelasteter Knotenpunkt Marienstraße/Berliner Allee wäre durch die Kreuzung mit Bahnen und deren Vorrangschaltungen geschwächt
- Raschplatz-Hochstraße wurde vor kurzem für einen Bruchteil der einst von SPD und Grünen angedachten Abrisskosten saniert
- Sallstraße wurde vor einigen Jahren zwischen Marien- und Kleine Düwelstraße für 2 Mio. Euro erneuert
Erste Planungen aus 2010
Am Mittwoch, 14.04.2010, lud die Partei Die Linke im Margot-Engelke-Zentrum in der Geibelstraße (Südstadt) zu einem Infoabend ein. Das Thema lautete „Möglichkeiten zur Stadtbahnanbindung der Südstadt: vom U-Bahntunnel bis zur Niederflurbahn”. Dabei stellte Stefan Möller (ehemals Fraktionschef der Linken in der Regionsversammlung, heute SPD) zusammen mit Vertretern der Region Hannover u. a. erstmals Planungen für eine Stadtbahnstrecke durch die Sallstraße vor. Untermauert mit mehreren Plänen von Hochbahnsteig-Platzierungen und Trassenführungen bis zur Stresemannallee und zum Endpunkt auf der Grünfläche der Bismarckstraße wurde somit die Machbarkeit einer Straßenbahn durch die Sallstraße einer Handvoll Interessierten vorgestellt.
Es existieren von diesem Abend nur einige wenige Fotos – eine Anfrage bei der Region Hannover bei Dipl.-Ing. Klaus Geschwinder im Jahr 2019 zur Bereitstellung des Vortrags wurde negativ beantwortet. Es hieß schlicht: man „archiviere alte Vorträge nicht”. Auch die Partei Die Linke hat den Vortrag nicht mehr parat. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Dabei wurde von der Transtec gewohnt akribisch ausgearbeitet in mehreren Teilplänen die gesamte Trasse dargestellt. Offenbar aus politischen Gründen verschwand diese Planung früh wieder in der Schublade. Der Vorschlag aus der Region hatte nämlich 2010 politisch nicht sehr lange Bestand.
Politisches Verwerfen der Idee im Jahr 2010
Verkehrsdezernent Ulf-Birger Franz konkretisierte die Pläne einer Stadtbahntrasse in der Sallstraße im April 2010. Nach Angaben von Franz war die Region in Sachen Südstadtbahn zwei Monaten zuvor von Hannovers damaligem Stadtbaurat Uwe Bodemann um eine Machbarkeitsstudie gebeten worden. Kurz danach wurden die in die Öffentlichkeit getragenen Überlegungen von Bodemann als „vorschnell und einseitig” kritisiert. „Wenn vonseiten der Landeshauptstadt gesagt wird, wir können uns das nicht vorstellen, dann werden wir das auch nicht weiter verfolgen”, sagte Franz der HAZ in einem Artikel vom 28.04.2010. Der wichtigste Satz in diesem HAZ-Artikel fällt ebenfalls von Franz: „Meine Vermutung ist, dass die Realisierungschancen gleich null sind.” Außerdem gab es auch hier schon vonseiten der Rats- und Regionspolitik ziemlichen Gegenwind. Kurz danach verschwand die Idee der Stadtbahn in der Sallstraße wie gesagt politisch zunächst in der Schublade.
Oberbürgermeister-Wahlkampf 2019: Marc Hansmann (SPD) fordert Stadtbahnstrecke durch die Sallstraße
Im August 2019 wurden konkrete Wahlversprechen des SPD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl Marc Hansmann (SPD) bekannt. Unter anderem forderte er in seinem Pogramm die Verlängerung der Stadtbahnlinie 10 durch die Sallstraße bis zum Bismarckbahnhof und der Linie 17 bis zum Hanomag-Gelände. Hansmann verfolgte damit die alten Straßenbahn-Träume der Grünen und reaktivierte die vor Jahren beiseite gelegten Planungen. Im Grunde schlug er zwei Streckenäste aus einem Positionspapier von Daniel Gardemin (Grünen) vor, das zu Zeiten der Niederflur-Debatte etliche Straßenbahn-Strecken propagierte, u. a. die genannten (siehe Rubrik Hoch-/Niederflur). Damit propagierte Hansmann keine eigenen Ideen, sondern befeuerte weiterhin latent die Straßenbahnträume der Grünen.
Hansmanns Forderungen zur Stärkung und Ausbaus des Nahverkehrs waren grundsätzlich richtig, basierten dabei aber auf den grünen, zumeist ideologisch motivierten Rückfällen ins Straßenbahn-Zeitalter. Selbst die Südstadt-Grünen im Jahr 2019 haben sich gegen den Vorschlag ausgesprochen und meinten: „Vorschläge aus der Mottenkiste bringen Hannover nicht weiter!” Auch von anderen Stellen gab es wieder reichlich Gegenwind. Bezirksbürgermeister Lothar Pollähne (SPD) befand, die Idee sei „grober Unfug”. Roland Schmitz-Justen (SPD) meinte, „das Hauptaugenmerk in einer Machbarkeitsstudie sollte auf eine Tunnellösung gelegt werden”. Schließlich verlor Hansmann an dritter Stelle mit nur 23,5 % die Wahl, neuer Oberbürgermeister wurde nach einer Stichwahl Belit Onay von den Grünen.
Verkehrsdezernent Franz verwirrt mit Aussagen zur Sallstraße – mal „hoch wirtschaftlich“, mal „nicht gegeben”
Die Region Hannover hatte in Sachen Nahverkehr Anfang 2020 einen ambitionierten Zehn-Punkte-Plan für die Verkehrswende vorgelegt. Eine Machbarkeitsstudie soll die Sallstraßenstrecke auf Fahrgasteffekte, Auswirkungen auf die Gesamtkapazität des Netzes, Kosten und bauliche Realisierbarkeit untersuchen. Verkehrsdezernent Ulf-Birger Franz hatte in den zurückliegenden Jahren zur Debatte um die D-Linie des Öfteren mit Zahlen jongliert. Dabei mussten Fahrgastzahlen und Kosten-Nutzen-Faktoren (zur Wirtschaftlichkeit) später auch mal kleinlaut (meist nach unten) korrigiert werden. Das Zurechtbiegen von Fakten hat sich in der Debatte zur Sallstraßen-Stadtbahn fortgesetzt. Nach der Forderung von OB-Kandidat Hansmann für eine Stadtbahn durch die Sallstraße betonte Franz dazu in einem Artikel der HAZ vom 25.06.2019: „‚Die Sallstraße ist geeignet, um dort eine Stadtbahntrasse zu bauen’, sagt Dezernent Franz [… und] betont, dass eine Stadtbahn durch die Südstadt die ‚höchste Wirtschaftlichkeit’ hätte, weil viele neue Fahrgäste hinzukämen.”
In den einsehbaren Protokollen der Verkehrsausschüsse (VA) liest sich das dann leider andersherum.
Im Protokoll VA 20.04.2010 steht: „Herr Franz erklärt […], dass es bei der oberirdischen Variante erhebliche Kostenrisiken gebe, die vor allem daraus resultierten, dass die Fördermittel nur gezahlt würden, wenn auch ein eigener Gleiskörper gebaut werde. Deshalb sei auch bei der Sallstraße die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben, wenn man einen Stadtbahnverkehr im Straßenverbund vorsehe.”
Im Protokoll VA 12.01.2012 steht: „Herr Franz macht zum Thema einer Stadtbahn in der Sallstraße deutlich, dass sich der Rat der Landeshauptstadt Hannover mit den Stimmen aller Fraktionen deutlich gegen eine Stadtbahn in diesem Bereich ausgesprochen habe und auch von den Anwohnerinnen und Anwohnern heftige Reaktionen gekommen seien. Insofern halte er diese Option nicht für sehr wahrscheinlich.”
Und ebenfalls vom 12.01.2012: „Eine Verlängerung bis zur Marienstraße sei untersucht worden, allerdings sei auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Platz der Kaufleute und der Marienstraße eine eher geringe Nachfrage zu erwarten und somit keine Wirtschaftlichkeit gegeben.”
Nicht zuletzt gilt wie oben bereits erwähnt der Satz aus dem HAZ-Artikel vom 28.04.2010: „Meine Vermutung ist, dass die Realisierungschancen gleich null sind.”
Nachzulesen sind diese Franz-Zitate in den diversen Protokollen des Verkehrsausschusses unter
https://ris.hannit.de/public/si018?GRLFDNR=41960.
Sallstraße war in allen Variantenuntersuchungen stets untertunnelt
Mehrmals wurden Streckenvarianten für die Linie D-Süd in Richtung Kronsberg und EXPO-Gelände untersucht und bewertet. Das letzte Gutachten dieser Art ist der Bericht „Bewertung von Stadtbahnvarianten zur Erschließung des Kronsberges (2010) und der EXPO 2000” von Ingenieur-Consult Haas & Partner GmbH sowie TransTec Transport und Technologie Consult Hannover GmbH vom August 1992 (Auftraggeber: Zweckverband Großraum Hannover, Vorgänger der Region Hannover). Darin wurden mehrere Varianten von Streckenführungen untersucht und berechnet. Interessant dabei ist Variante 5: Theoretisch betrifft das die heutige Innenstadtstrecke der Straßenbahn „Projekt 10/17”, die über die Berliner Allee verlängert wird. Dann jedoch soll die Straßenbahn in einer Rampe in Höhe der Lavesstraße in der Berliner Allee abtauchen, die Marienstraße unterqueren und bis zur Lindemannallee – quasi dem D-Tunnel gleich – die Sallstraße in einem Tunnel durchqueren.
Auch alternative Verbände und Parteien kamen um einen Tunnel in der Sallstraße nicht herum
Diese Variante wurde zuvor schon 1991 von alternativen Verkehrsverbänden und Parteien ausgiebig diskutiert. Die Ausarbeitung einer D-Linie durch die Innenstadt (also dem heutigen „Projekt 10/17”) war dort schon Thema. Ein Diskussionspapier stellt z. B. fest, dass (Zitat) „die Weiterführung dieser Strecke in Richtung Sallstraße möglich ist durch die Rampe zwischen Schiffgraben und Marienstraße”. Weiter heißt es, dass „in einem Tunnel in der Sallstraße nicht U-Bahn-mäßig, sondern straßenbahnmäßig in einem beleuchteten Tunnel gefahren wird”. Eine Skizze hielt auch hier fest, dass die Straßenbahn auf der Berliner Allee in Höhe der Lavesstraße in einer Rampe abtaucht und die Marienstraße unterquert.
Es ist also bewiesen, dass für die Sallstraße selbst bei Straßenbahnplanungen ein Tunnel vorgesehen war.