Vom Platz der Kaufleute

zum „Kompromiss” ZOB

„Projekt 10/17”

Regionsplanungen

Oberirdische Trasse (Stand Januar 2013)

Karte der ober­irdischen Trassen­planung in Richtung Raschplatz
Karte der ober­irdischen Trassen­planung in Richtung Raschplatz

Nachdem von der Region Hannover der Tunnel mit einer Art „Basta”-Entscheidung zu den Akten gelegt wurde, verfolgte man die Planungen einer ober­irdischen Trasse durch die nörd­liche Innen­stadt. Dabei kommt die problematische und seit Jahren viel­diskutierte „Post­tunnel”-Lösung zum Tragen. Diese wurde bereits 1995 eigentlich verworfen und auch 2009 distanzierte sich die Region von einer Ober­flächen­strecke mit straßen­bündigen Gleisen (siehe Artikel Perpetuum mobile). Die Karte zeigt den bis heute aktuellen Planungs­stand vom Januar 2013.

Verlauf: Im Grunde ändert sich bis zum Haupt­bahnhof am Verlauf der heutigen Straßen­bahn-Linie nichts. Der Hochbahnsteig Goetheplatz wird nur 45 m lang und 4 m breit. Am Steintor wird ein Hoch­bahn­steig (ebenfalls 45 m, dafür aber ca. 6 m breit) vorgesehen, der in die Münz­straße vorgelagert wird. Dadurch muss der Verkehr durch die enge Scholvin­straße in Richtung Altstadt abgeleitet werden, die sogenannte Steintor­tasche fällt weg. In der Kurt-Schumacher-Straße im Knick der Ernst-August Galerie wird ein Mittel-Hoch­bahn­steig von ebenfalls nur 55 m Länge (vormals nur 45 m) und nur 4 m Breite platziert, welcher inmitten einer deregu­lierten Zone liegt, den nur noch Busse und Taxen befahren dürfen. Der von VCD und BiU jahrelang offensiv beworbene Stadt­bahn­halt im sogenannten „Post­tunnel” (unter den Gleisen des Bahnhofs) findet keine Erwähnung mehr (aus mehreren Gründen wurde der Halt unter der lauten und maroden Brücke als proble­matisch verworfen). Vor der Galerie muss eine enge Doppel-S-Kurve befahren werden, damit die Strecke nun nach Nord­osten in die beginnende Lister Meile geführt werden kann. Nach der Brücken­durch­fahrt erreicht die Strecke ihren Endpunkt am Raschplatz (zwischen ehemaligen ZOB und Casino). Der Abriss der Raschplatz-Hoch­straße und die Strecke zum Platz der Kaufleute (zwischen König­straße und Schiff­graben) wurde nach massivem Protest im Winter 2012 unter den Tisch gekehrt (siehe unten) – die aktuell im Bau befindliche Strecke wird von Rot-Grün seit Februar 2013 als „Kompromiss” verkauft.

Eine Verlängerung durch die beengte Sall­straße wird sehr wahr­scheinlich nicht mehr kommen. Die alte Strecke durch die Prinzen­straße zum Endpunkt Aegi wurde am 25.05.2017 aufgegeben. Die Halte­stelle Clevertor wird übrigens oberirdisch auch entfallen (was bislang gerne als Nachteil für den D-Tunnel hervorgestellt wurde). In der Goethe- und Kurt-Schumacher-Straße werden die Stadt­bahn­gleise aufgrund der beengten Verhältnisse in das Straßenprofil gelegt, d. h. Autos fahren auf den Gleisen. Neben dieser Linien­führung wird es auch an einigen Ecken Neu­regelungen und Einschnitte für den Auto­verkehr geben (Durch­fahrt verboten an der Galerie, Aufgabe der Steintor­tasche und Neu-Abwicklung durch Scholvin- und Reuterstraße).

Vorteile:

  • Weniger Baukosten als die 1. Ausbaustufe des D-Tunnels (nur unter Voraussetzung aller günstigen Förderfälle mit eigenem Gleiskörper oder nicht eintretender baulicher Probleme, z. B. „Posttunnel”-Umbau, siehe auch Artikel „Zu teuer”…?)
  • Halbwegs mögliches „Stadterlebnis” in nördlicher Cityrandlage
  • Sichtbare Haltestelle in der Münzstraße am Steintor
  • Reaktivierung der Zoostrecke möglich (ist aber wegen mangelnder Nachfrage eher unwahrscheinlich)
Visualisierung: Ecke an der Ernst-August-Galerie mit engen Gleis­­radien und nah vorbei­­fahrenden Bahnen
Visualisierung: Ecke an der Ernst-August-Galerie mit engen Gleis­­radien und nah vorbei­­fahrenden Bahnen

Nachteile:

  • Mehrere Verkehrsprobleme durch Kreuzung oder Behinderung von Cityring-Achsen durch die Trasse
  • Ebenfalls Wegfall der Haltestelle Clevertor
  • Eigener Bahnkörper in der Kurt-Schumacher-Straße ist architektonisch unerwünscht, deswegen wurde das Gleis ins Straßenprofil verlegt – somit wenig Fördergeld-würdig
  • Mögliche Stagnation des Erscheinungsbildes von Goethestraße und Kurt-Schumacher-Straße
  • Massive Gefährdung von Fußgängern an der überlasteten Kreuzung vor der Ernst-August-Galerie durch enge Doppel­kurve und womöglich dichten Takt (bei angedachter Erhöhung des Taktes auf 5 min. wegen der Anbindung der Wasserstadt Limmer)
  • Keine Beschleunigung und extrem erhöhter Verschleiß durch enge Kurvenfahrten mit akuter Quietschgefahr
  • „Posttunnel”-Unterführung niedrig (≤4,00 m), kostspieliger Um- bzw. Neubau mit Absenkung des Straßenniveaus von 40 cm wird erforderlich
  • Leicht versteckter Hochbahnsteig „Haupt­bahnhof/Rosen­straße” bringt deutlich längere Umsteigewege für Fahrgäste in Richtung Hbf., besonders über die ohnehin schon belastete „Problemkreuzung” vor der Galerie
  • Angedachte Treppenaufgänge vom mittlerweile verworfenen „Posttunnel”-Halt zu den DB-Gleisen sind von der Deutschen Bahn nicht erwünscht (Umgehung der Bahnhofspromenade und dadurch Abfluss der Kaufkraft), wären am Gleis in Richtung Steintor ohnehin baulich nicht machbar und zudem nicht barrierefrei (keine Aufzüge oder Rolltreppen)
  • Weiterhin längere, teilweise witterungs­ausgesetzte Umsteige­wege über zwei Ebenen in die Stationen Steintor und Hauptbahnhof
  • Barrierewirkung von Hochbahn­steigen am Steintorplatz und am Raschplatz
  • Fragliche Fahrgastzahlen auf der Neubaustrecke (die Region korrigierte die Zahlen bereits auf nur 600 neue Fahrgäste pro Tag!)

Oberirdische Trasse (ursprüngliche Planung vom Oktober 2012)

Karte der ursprünglichen ober­irdischen Trassen­planung in Richtung Platz der Kaufleute
Karte der ursprünglichen ober­irdischen Trassen­planung in Richtung Platz der Kaufleute

Zum Vergleich zeigen wir ebenfalls eine Karte mit der ursprünglich vorgelegten und nach massiver Kritik nach der rot-grün gewonnenen Landtagswahl 2013 verworfenen Planung vom Januar 2013.

Verlauf: Wie bei der aktuellen Planung durchfährt die Straßenbahn eine enge Doppel-S-Kurve und biegt vor dem Haupteingang der Ernst-August-Galerie nach Nord­osten in die beginnende Lister Meile ein. Nach der Brücken­durch­fahrt sollte die Bahn dann in die beginnende Berliner Allee einbiegen, dazu war der Abriss der Raschplatz-Hoch­straße mit eingeplant (mit extra dafür 12 Mio. Euro anvisierten Fördergeldern [!], die aus guten Gründen dafür nicht bereitgestellt wurden). Nachfolgend war ein Hoch­bahn­steig Rasch­platz in Mittellage vorgesehen. In etwas voraus­eilendem Gehorsam wurden beim Umbau des Rasch­platzes an der Osho-Disco dafür der Aufzug und die feste Treppe zur –1-Ebene eingebaut, die zumindest hier für kurze Umsteige­wege gesorgt hätten. Nachfolgend wäre die Bahn weiter in der Mittel­lage der Berliner Allee gefahren und würde dort den Endpunkt Platz der Kaufleute (zwischen König­straße und Schiff­graben) erreicht haben. Ein Abweig in Richtung Zoo via Emmich­platz sowie eine Abstell­anlage vor der Eisen­bahn­brücke waren mit eingeplant. Nach massivem Protest im Winter 2012 wurde diese Planung jedoch verworfen.

Taktverdichtungen versprochen, aber klammheimlich unter den Teppich gekehrt…

Im November 2012 wurde auf der Homepage der Stadt Hannover (Artikel nicht mehr online, jedoch gesichert via Wayback Machine abrufbar) zudem noch eine Takt­verdichtung angekündigt, die ebenfalls später still­schweigend wieder zurück­genommen wurde (Zitat):

„Mehr Qualität und Geschwindigkeit: Durch den Einsatz neuer Stadt­bahn­fahrzeuge und die vorgesehene Umstellung vom 7,5 auf den 5 min.-Takt in der Haupt­verkehrs­zeit wird die Linie 10 noch attraktiver. Auch die Linie 17 wird verdichtet und soll zukünftig alle 10 min. verkehren. Die Stadt­bahn­züge legen die neue, längere Strecke zum Platz der Kauf­leute in kürzerer Fahr­zeit zurück als die heutige Strecke zum Aegi, da sie zu einem großen Teil auf einem eigenen Gleis („besonderer Bahn­körper“) fahren.”

Seitdem wird für „Projekt 10/17” eisern der 7½- und 15-Minuten Takt beschworen – eine Takt­verdichtung ist nicht mehr vorgesehen und auch kaum durchsetzbar. Die Üstra hat ohnehin mehrmals den Planungs­kreis und die Genehmigungs­behörde informiert, dass eine Takt­verdichtung und eine Verlängerung aufgrund der schmalen Bahnsteige und des hohen Fahr­gast­aufkommens nicht machbar sei. Auch der Anteil eigener Bahn­körper ist weiterhin gesunken als ursprünglich propagiert.

Verkehrsführungen: Stop and Go, Mehrwege, Ampelflut

Karte der Verkehrsführungen entlang der „10/17”-Trasse
Karte der Verkehrsführungen entlang der „10/17”-Trasse

„10/17” bringt auch viele veränderte Verkehrs­führungen mit sich. Wir können Ihnen eine volle Karte mit den neuen Lenkungen leider nicht ersparen. Die wichtigsten Probleme sind im Überblick erklärt und dargestellt. Kurios ist die Führung am Steintor mitten durch das Rotlichtviertel. Im Rosen­viertel müssen Schiller- und Andreae­straße alle ankommenden Verkehre verkraften (inkl. umliegender Park­häuser). Die Ampel­flut sowie manche „Ehren­runden” durch Seiten­straßen erzeugen längere Fahrten, Staus sowie Stop and Go – eine für das Klima kontraproduktive Planung. 

Dieses Verkehrs­konzept war zwar von der Stadt im „Master­plan Mobilität 2025“ vorgesehen, wurde aber durch den „10/17”-Umbau vorgezogen. Initiativen und Händler haben oft davor gewarnt, dass die Planungen ein Chaos mit sich bringen könnten – welches sich nach der Eröffnung auch sporadisch eingestellt hat. Die Verkehrs­führungen rund um die Galerie sind verwirrend und verbesserungswürdig. Von Westen nach Osten gesehen gibt es mehrere problematische Stellen, die zu nachteiligen Verkehrsproblemen führen können.

Nachteile:

  • An der Goethe­straße finden sich vier Ampel­kreuzungen auf 230 Meter bis zur Ein­mündung Goseriede. „10/17” hat zwei zusätzliche Knoten­punkte generiert. Ob diese alle durch­gängig schalten und die Bahn als „Pulk­führer” Vorrang gewähren können, bleibt abzuwarten.
  • Die „Steintor-Tasche” wird zurückgebaut, die Stein­tor­straße wird ebenfalls eine Fuß­gängerzone.
  • Der Altstadt-Verkehr muss sich durch die engen Rot­licht­viertel-Straßen Reuter- und Scholvin­straße zwängen. Wer aus der Schmiede­straße Richtung Norden fahren möchte, muss also sehr umwegig über vier Ampel­kreuzungen fahren (Reuterstr., Scholvinstr., Lange Laube, Gose­riede/Kurt-Schumacher-Str.).
  • Am Marstall trifft der aus der Altstadt ausfließende Verkehr auf den einfließenden Verkehr – ungeregelt rechts vor links. Durch die enge Verkehrsführung kann es hier zu Unfällen kommen, solange es keine weiteren Regelungen außer dem „Verständnis” auf Sicht gibt.
  • In der Kurt-Schumacher-Straße müssen die Autos und Busse beidseitig auf den Bahngleisen fahren. Falsch- und Einparker, Unfälle und sonstige Stockungen behindern dann die Bahn.
  • An der Kreuzung Herschel­straße kreuzen sich die ausfließenden Parkhaus-Verkehre mit dem ein­fließenden Verkehr. Hier hat es schon sehr oft Rück­staus in der Andreae-, Schiller- und Herschelstraße gegeben.
  • Das „Rosen­viertel” wird im Uhr­zeiger­sinn befahren, wobei die unter­dimensionierten Schiller- und Andreae­straße der einzige Abfluss sind. Somit verkommt das Viertel zu einem Kreis­verkehr mit viel Stop and Go.
  • Das Links-Abbiegen aus der Kurt-Schumacher-Straße in Richtung Rasch­platz durch den „Post­tunnel” ist verboten (Taxis, Busse und Radfahrer frei). Diese Verkehrs­führung ist unüber­sichtlich und klappt bis heute nicht recht: besonders viele aus­wärtige Fahrer werden durch schlecht einseh­bare oder unverständ­liche Verkehrs­schilder zu „Geister­fahrern” oder wenden vorher irritiert auf den Gleisen.
  • Das Rechts-Abbiegen aus dem „Post­tunnel” in die Kurt-Schumacher-Straße in Richtung Steintor ist verboten (Taxis, Busse und Radfahrer frei). Auch hier klappt diese Regelung nicht vollkommen. Die Schilder im 90°-Winkel an der Galerie-Ecke sind ebenfalls schlecht erkennbar.
  • Parkende am Haupt­bahnhof dürfen nur in Richtung Schiller­straße ausfahren. Dies generiert umwegige Mehr­fahrten über mehrere Ampel­kreuzungen.